Grüner Wasserstoff in der Energiewende: Fokussierter Einsatz unverzichtbar

Seite 5: Fazit: Nutzung von grünem Wasserstoff fokussiert vorantreiben

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In treibhausgasneutralen Zukunftsszenarien ist grüner Wasserstoff ein unverzichtbarer Bestandteil. Er dürfte insbesondere in einigen industriellen Anwendungen als Energieträger und Grundstoff praktisch alternativlos sein. Gleiches gilt für Teile des Verkehrssektors, insbesondere für den Flug- und Schiffsverkehr, wobei hier die Nutzung von wasserstoffbasierten E-Fuels als besonders relevant erscheint. Daher ist es richtig, dass die Politik nun zeitnah konkrete Maßnahmen im Bereich der Forschung, Entwicklung und des Markthochlaufs in diesen Anwendungsbereichen vorantreibt.

Aufgrund begrenzter regionaler Potenziale werden Importe von grünem Wasserstoff und E-Fuels aus anderen Weltregionen langfristig erforderlich sein. Daher muss frühzeitig auf die Entwicklung nicht nur der entsprechenden Erzeugungs- und Transportinfrastruktur hingewirkt werden, sondern auch auf förderliche politische und regulatorische Rahmenbedingungen im In- und Ausland. Dabei sollte auch möglichst schnell ein System für die Nachhaltigkeitszertifizierung von grünem Importwasserstoff entwickelt werden.

Gleichzeitig müssen die Potenziale zur Erzeugung grünen Wasserstoffs in Deutschland und im europäischen Stromverbund soweit wie möglich genutzt werden. Dabei sollte insbesondere auf die Hebung von Synergien bei der Systemintegration fluktuierender erneuerbarer Energien geachtet werden. Erforderlich hierfür ist, die Elektrolyse sowie weitere Prozessschritte bei der Wasserstoffspeicherung und dem Transport technisch und regulatorisch so zu gestalten, dass eine möglichst hohe zeitliche Flexibilität des Strombezugs erreicht wird. Außerdem muss geklärt werden, in welchem Umfang leitungsgebundene Transport- und Verteilnetzinfrastrukturen für Wasserstoff in Deutschland und Europa notwendig werden und welche Rolle dabei die Umrüstung von Erdgasnetzen spielen kann.

Selbst mit großen Anstrengungen beim Hochlauf von heimischen Erzeugungsstrukturen und beim Importwasserstoff bleibt jedoch absehbar, dass grüner Wasserstoff in Deutschland kaum in beliebig großen Mengen kostengünstig zur Verfügung gestellt werden kann. Vielmehr wird er aufgrund von Potenzialbeschränkungen und eines nicht beliebig schnell skalierbaren Hochlaufs ein knappes Gut bleiben. Dies gilt insbesondere im Zeitraum der nächsten zwei Jahrzehnte, der für die internationalen Klimaschutzbemühungen besonders wichtig ist. Vergleichbare Einschränkungen gelten auch für E-Fuels, mit denen zwar vorhandene Transport- und Speicherinfrastrukturen sowie Endanwendungen weiter genutzt werden könnten, die dafür aber aufgrund der schlechteren Energieeffizienz einen noch stärkeren Zubau erneuerbarer Energien erfordern.

Eine Nutzung und Förderung von grünem Wasserstoff bzw. E-Fuels nach dem Gießkannen-Prinzip über alle Anwendungsbereiche hinweg sollte daher vermieden werden. Eine Fokussierung auf solche Anwendungsbereiche, in denen energieeffizientere und kostengünstigere Alternativen nicht zur Verfügung stehen oder absehbar sind, erscheint deutlich sinnvoller und vielversprechender. Gerade bei den – in dieser Artikelserie im Fokus stehenden – Pkw erscheint eine umfängliche Nutzung von Wasserstoff mittlerweile als äußerst unplausibel. Zumindest in diesem Segment könnte ein politisches Festhalten an der Grundidee der Technologieoffenheit den schnellen Umstieg auf die deutlich energieeffizientere und zeitnah umsetzbare Alternative der Batterie-elektrischen Fahrzeuge eher hemmen. Stattdessen wären mittlerweile klarere und technologiespezifischere Vorgaben der Politik bei Förder- und Infrastrukturmaßnahmen hilfreich. Ähnliches gilt im Raumwärmebereich, wo unplausible Konzepte einer umfangreichen künftigen Wasserstoff- bzw. E-Fuel-Nutzung den dringend benötigen, zeitnahen Zubau von Wärmepumpen hemmen könnten.

Grundsätzlich erscheint es fraglich, ob die Ausgestaltung von Fördermaßnahmen und Strategien zum Markthochlauf von Wasserstoff übermäßig von industriepolitischen Überlegungen getrieben werden sollte. Vielmehr sollte der Energiesystemanalyse hier ein größeres Gewicht beigemessen werden. Dadurch könnten politische Maßnahmen und Strategien stärker von Erkenntnissen zur Rolle grünen Wasserstoffs in plausiblen und praktisch umsetzbaren Zukunftsszenarien eines treibhausgasneutralen Energiesystems geleitet werden. Unverzichtbar für das Gelingen der Energiewende bleibt in jedem Fall ein deutlich verstärkter Ausbau der erneuerbaren Energien.

(olb)