Solarpaket I: Neue Regeln für Balkonkraftwerke und Stromspeicher ​

Seite 2: Ferraris-Zähler darf erstmal bleiben und rückwärts laufen

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Deutlich erleichtert wird für die Steckersolar-Welt aber eine andere Vorschrift: der Einbau eines Zweirichtungszählers, gesetzlich "modernes Messsystem" genannt, oder eines Smart Meters, eines sogenannten "Intelligenten Messsystems", muss nicht mehr vor der Inbetriebnahme stattfinden. Auch alte Induktionszähler dürfen vorerst weiterbetrieben werden. Solche Zähler werden dann teilweise auch rückwärts laufen – bis sie ausgetauscht sind. Denn bis 2032 müssen die modernen Varianten überall vorhanden sein: bis 6.000 kWh Jahresverbrauch reicht dann ein Zweirichtungszähler, bei höherem Verbrauch muss es zwingend ein "iMSys" sein. Wer trotz solch größerer Verbräuche auf absehbare Zeit um ein Smart Meter herumkommen will, könnte nun also versucht sein, seinen nominellen Verbrauch am Ferraris-Zähler mit der Kraft der Sonne etwas zu reduzieren.

Auch mit den Neuregelungen bleibt die einwandfreie Inbetriebnahme von Balkonkraftwerken somit dem vorerst für die meisten Bürger ein Wunderwerk der Bürokratie, das in der Realität oft schlicht ignoriert werden dürfte. Denn die Absatzzahlen für Balkonsolaranlagen sind auf extrem hohem Niveau. 270.000 Steckersolargeräte wurden offiziell 2023 bei der Bundesnetzagentur neu registriert. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer nicht angemeldeter Kleinstkraftwerke.

Batteriespeicher spielen im Solarpaket ebenfalls eine große Rolle. Die werden immer beliebter, führen aber auch zu einigen Abgrenzungsschwierigkeiten. Denn wenn diese auch Strom aus dem allgemeinen Netz beziehen und zwischenspeichern können, kommt der nicht automatisch aus erneuerbaren Energiequellen. Daher fallen Anlagen mit Speicher, die nicht nur Grünen, sondern auch sogenannten Graustrom aufnehmen, bisher in der Regel vollständig aus der EEG-Förderung - sprich: auch für zeitweise darin zwischengespeicherten Solarstrom gibt es dann keinerlei Einspeisevergütung. Die Koalition hat hier zuletzt noch einmal Änderungen vorgenommen.

Zwei Möglichkeiten stehen künftig nebeneinander. Die Erste: Zweimonatsweise können Batteriespeicher künftig entweder als Teil von Erneuerbaren-Anlagen angemeldet werden und nur von diesen gespeist werden. Oder in den anderen Monaten als einfache Speicher für eine bessere Steuerung des insgesamt netzverfügbaren Strommixes. Bis zu fünfmal im Jahr dürfen Speicherbetreiber dann zwischen den Modellen wechseln, und bleiben trotzdem für die Zeiträume, in denen sie mit lokal produziertem Ökostrom befüllt werden, mit allen finanziellen Vorteilen in der Erneuerbaren-Energie-Gesetz-Förderung. Die Unschärfe, dass zum jeweiligen Zeitpunkt auch fossiler Reststrom im Speicher sein kann, sieht der Gesetzgeber dann als vernachlässigbar an – die EEG-Vergütungen werden am Ende nach Strommengen im jeweiligen Zeitraum berechnet.

Die zweite Möglichkeit ist ein schnellerer Wechsel, ohne Häufigkeitsbeschränkung. Doch dieses Modell hat noch einen großen Haken: Technisch muss sichergestellt sein, dass in angemeldeten Erneuerbaren-Zeiten ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen gespeichert werden kann. Und unmittelbar vor dem Wechsel muss dann eine nachweisbare, weitgehende Entleerung der Speicher stattfinden. Wie das ganz praktisch aussehen soll, ist noch unklar, was auch den Gesetzgebern bewusst ist: Für diese Regelungen seien noch praktische Lösungen zu suchen, heißt es in den Erläuterungen zum Regelwerk. Hier müssen Bundesnetzagentur und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erst noch Vorgaben entwickeln, unter anderem für die Parametrisierung der Speichersoftware, wie leer ein Speicher zum Wechselzeitpunkt genau sein muss und darf, ohne die Batterie übermäßig zu entladen.

Als besonders relevant für Mieterinnen und Mieter, Häuser mit mehreren Eigentümern und verbundene Bauten wie Reihenhäuser-Zeilen könnten sich Neuregelungen für Anlagen auf Mehrfamilienhäusern erweisen. Mit der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung kann der Betreiber zum zusätzlichen Stromlieferanten für die Nutzer im Haus werden – neben deren normalem Stromanbieter. Wie es genau funktioniert, hat heise online schon einmal umfassend erklärt. Mit dem Solarpaket I werden jetzt die Regeln dafür klargestellt: So gewonnener Strom darf – das stellt die Einigung noch einmal ausdrücklich klar – auch zwischengespeichert werden. Mit den letzten Änderungen ist zudem klargestellt: auch der Verbrauchsort muss nicht exakt dort sein, wo der Strom erzeugt wurde – so sind etwa Wallboxen in Garagen oder andere verbundene Bauteile ebenfalls zulässig. Sowohl für die Nutzer als auch für Betreiber ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung ein attraktives Modell, das sich für alle Beteiligten schnell rentieren kann.

Für Mieterstrommodelle zudem relevant: die Mindestlaufzeit soll künftig zwei Jahre betragen dürfen. Zudem wird klargestellt: Mieterstrombezug und Mietvertrag sind nicht gekoppelt – am Tag des Auszugs endet der Mieterstromvertrag künftig aber automatisch.

Eine derzeit noch nicht vollständig ausgereifte und nicht solare Technik hat sich bei den Beratungen ebenfalls im Solarpaket I verewigen dürfen: Flugwindkraftwerke, auf Energierechtsdeutsch Flugwindenergieanlagen an Land genannt. Seit über einem Jahrzehnt wird große Hoffnung in Varianten dieser Art der Stromerzeugung gesetzt: Ein Flugobjekt, in der Regel ein Drachen oder einem Segelflugzeug ähnlich, bewegt sich in mehreren Hundert Metern Höhe mit dem Wind. Dabei wird ein Seil immer weiter mit nach oben gezogen – und dessen Zug erzeugt dabei an einer Bodenstation den Strom, und der könnte mit wesentlich weniger Bauaufwand für bemerkenswerte Energiemengen sorgen. Ist die Zugstrecke ausgeschöpft, sinkt das Flugobjekt herab und der "Powercycle" beginnt von Neuem. In Luftschichten oberhalb der normalen Drehflügel-Windkraftwerke weht dabei fast konstant ausreichend Wind. Solche Flugwindkraftwerke sind derzeit noch in der Erprobung, im Solarpaket wurden sie kurz vor Toreschluss nun mit umfangreichen Regelungen bedacht. So müssen sie etwa keine Standortgutachten vor Errichtung mehr vorweisen – und es wird ein pauschaler Referenzwert für den Ertrag angesetzt, den diese erzielen, damit sie in der Logik des Erneuerbare-Energien-Gesetzes förderfähig werden.

Update

Details zur Abstimmung in Bundestag und Bundesrat ergänzt.

(mki)